Sieg oder Niederlage

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Kolumne "Kompass"

Portrait Richard EstermannHaben Sie auch schon über Siegerehrungen nachgedacht? Als der Verlierer Stan Wawrinka während der Siegerehrung dem Gewinner Roger Federer «He’s laughing, he is an asshole» zurief, beschäftigte dies die halbe Schweiz. Viele Menschen waren einfach sprachlos. Dieser überraschende Zwischenfall beim Tennisturnier von Indian Wells gab mir Gelegenheit, einmal kurz über Siegerehrungen nachzudenken. Sie sagen viel aus über den Charakter eines Athleten. Warum?

Der Charakter und die wahre Grösse eines Sportlers zeigt sich nicht im Sieg, sondern in der Niederlage! Eine Siegerpose einzunehmen fällt niemandem besonders schwer. Und es ist für den Gewinner einfach, ein Lächeln in sein Gesicht zu zaubern und vor den Medien aufzutreten. Doch wie sieht es bei einer Niederlage aus? Wir kennen zum Beispiel im Tennis die widrigen Umstände, die dann schuld sind. Der Wind, die Sonne und so weiter. Es wird von verpassten Chancen und Möglichkeiten gesprochen. Dies alles, nur um nicht zugeben zu müssen, dass der Gegner heute einfach besser war.

Einer der fairsten Sportler und ein absolutes Vorbild ist für mich der Tennisstar Rafael Nadal. Ein absolut fairer Athlet, sympathisch, bescheiden und ohne Starallüren. Obwohl er wie kaum ein anderer Sportler jahrelang mit Verletzungs-Pech zu kämpfen hatte und mehrmals monatelang kein Turnier spielen konnte, hat er sich deswegen nie beschwert oder beklagt. Er gab nie jemand anderem die Schuld und er hatte nie eine Ausrede.

Warum nach einer Niederlage nicht sagen: «Der Gegner verdient den Sieg – er hat heute einfach besser gespielt!» Und der Verlierer bekommt dafür den Respekt der Zuschauer.